Pacing und Coping
Strategien für den Umgang mit ME/CFS
Hallo ihr Lieben,
wenn man an ME/CFS erkrankt ist, lernt man schnell, dass das Leben nicht mehr so ist wie früher. Eine der größten Herausforderungen ist die Bewältigung der ständigen Erschöpfung und der belastungsabhängigen Symptomverschlechterung (PEM). Hier möchte ich über meine Erfahrungen mit Pacing und Coping sprechen – zwei Strategien, die mir helfen, meinen Alltag trotz dieser Krankheit zu bewältigen.
Was ist Pacing?
Pacing bedeutet, so aktiv wie möglich zu bleiben, ohne durch Überanstrengung Rückfälle oder Crashs zu riskieren. Es geht darum, innerhalb der eigenen Belastungsgrenzen zu bleiben und diese schrittweise auszudehnen, wenn die Genesung es zulässt. Genaueres hierzu unter dem Folder ME/CFS auf dieser Homepage.
Meine Strategien für Pacing
Tägliche Aktivitäten begrenzen
Pacing heißt nicht, nichts zu tun, sondern die Tätigkeiten über Tage/ Wochen einzuteilen. Für mich war es am einfachsten, die Belastungen zwischen Vormittag und Nachmittag aufzuteilen und zwischen den Tätigkeiten immer genug Zeit für Pausen einzuplanen. Anfänglich versuchte ich meinen Tag nach Stunden zu planen, aber das stresste mich mehr, als es mir nutze. Zu Beginn sah mein Plan so aus, dass ich vormittags meine Zähne putze, dann meine Kraft für das Mittagessen sammelte und am späten Nachmittag im Liegen meine Dehnungsübungen machte. In den Pausen versuchte ich meine Körper möglichst zu entspannen und verbrachte die Zeit mit Mediation und somatischen Übungen.
Auch beim Telefonieren, im Internet surfen oder Fernsehen gilt es, Grenzen zu setzen. Es ist definitiv entscheidend, aufzuhören, bevor man zu viel tut. Auch wenn es sehr viel Überwindung kostet.
Belastungsgrenze immer wieder neu bewerten
Ich habe unter großem innerem Widerstand gelernt, Prioritäten zu setzen. Was ist wirklich notwendig, und was kann warten? Genauso plane ich noch immer nach anstrengenden sozialen Kontakten oder emotional fordernden Gesprächen Pausen ein. Beim Pacing geht es somit nicht nur um körperliche, sondern auch um emotionale und mentale Belastungen. Wie viel Anstrengung schon die kleinsten Gespräche kosten können, kann man sich als nicht Betroffene:r kaum vorstellen.
Tagebuch führen
Das Tagebuch hat mir geholfen, Muster in meinen Symptomen und Crashs zu erkennen. Viele Verschlechterungen treten zeitverzögert auf, manchmal sogar Tage nach einer Überanstrengung. Ich notierte alle zusätzlichen Aktivitäten, Symptome und auch meine Medikamenteneinnahme. Das half mir besonders anfänglich, Zusammenhänge zu verstehen und zukünftig besser zu planen.
Aktivität schrittweise erhöhen
Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass sich meine Grenzen an manchen Tagen erweitern lassen. Diese Gelegenheiten nutzte ich, um meine Aktivitäten behutsam zu steigern. Wichtig war dabei bei Anzeichen einer Verschlechterung sofort wieder zurückzuschalten. Hochtrainieren wie bei anderen Krankheiten funktioniert bei ME/CFS nicht, auch wenn viele Ärzt:innen das noch immer anders sehen. Es gibt aber mittlerweile genügend Fachliteratur, die das Gegenteil belegen. Zu hohe Belastung führt unweigerlich zu einem Rückschritt.
Copingstrategien
Neben Pacing habe ich für mich verschiedene Copingstrategien probiert, um den Stress der Krankheit zu reduzieren. Schlussendlich haben mir Gesprächstherapie sowie Methoden wie Entspannungstechniken, Meditation und autogenes Training geholfen, die psychische Belastung besser zu bewältigen. Diese Strategien machten die Krankheit zwar nicht weniger einschränkend, aber sie erleichtern mir den Umgang damit etwas.
Pacing ist (k)ein Verzicht
Eine der größten Missverständnisse ist wohl, dass Pacing bedeutet, nichts zu tun. Im Gegenteil: Es geht darum, seine Aktivitäten klug zu steuern, innerhalb der eignen Grenzen aktiv zu bleiben und sich gleichzeitig Zeit für genügend Pausen zu nehmen. Die Kunst besteht für mich darin, die Balance zu finden zwischen dem, was man tun kann, und dem, was einem schadet.
Ich hoffe, dass euch meine Erfahrungen etwas helfen können, einen eigenen Weg mit Pacing zu finden.
Alles Liebe,
Tina