Mein Leben mit ME/CFS: Ein langer Weg zurück ins Leben
Von den ersten Symptomen bis zur schrittweisen Verbesserung.
Hallo ihr Lieben,
mein Name ist Tina und ich möchte euch heute meine Geschichte erzählen. Ich habe eine komplexe Erkrankung (ME/CFS), die mein Leben komplett verändert hat. Vielleicht erkennt ihr euch in manchen meiner Erfahrungen wieder oder kennt jemanden, der ähnliches durchmacht. Trotz der negativen Genesungsprognose bin ich heute wieder in der Lage am Leben teilzunehmen und selbstständig zu gehen.
Mein Ziel ist es, mehr Bewusstsein für diese Erkrankungen zu schaffen und anderen Betroffenen Mut zu machen.
Die erste Infektion und der Beginn der Erkrankung
Im April 2021 hatte ich meine erste COVID-Infektion. Damals schlug der Wohnzimmertest nicht an, und ich hielt die Symptome für eine leichte Grippe. Erst Monate später wurde die Infektion im Krankenhaus diagnostiziert. Meine Krankheit begann anfänglich schleichend. Meine Haut brannte die ersten Wochen wie Feuer und ich merkte, dass meine Muskeln immer mehr nachließen. Binnen einiger Wochen konnte ich nur mehr unter großer Anstrengung Stiegen hinuntersteigen und kaum Essen bei mir halten. Dieser Zustand blieb für ungefähr 2 Monate konstant, bis ich innerhalb von zwei Wochen 12 Kilo verlor, meine Eltern nicht mehr erkannte und nicht mehr wusste, wie man richtig geht oder spricht. Ich hatte immer wieder „Aussetzer“, in jenen sich mein Hirn anfühlte, als bestünde es aus einem einigen schwarzen Loch. Ich konnte die einfachsten Fragen nicht mehr beantworten und mein Körper gehorchte mir einfach nicht mehr. Ich werde niemals den Moment vergessen, in welchem ich dachte, meine Hand zum Gesicht zu führen, nur um Augenblicke später zu erkennen, dass meine Hand noch immer regungslos am Bett verweilte.
Ab diesen Zeitpunkt begann ich, eine Vielzahl von Symptomen zu entwickeln, die mich in eine monatelange Bettlägerigkeit zwangen. Nach ca. 2 Jahren konnte ich das Haus wieder länger mit Sauerstoff und Elektrorollstuhl verlassen.
Die Symptome
Mein Körper und Geist kämpften seitdem mit einer Vielzahl von Symptomen:
Fatigue: Eine bleierne Erschöpfung, die oft auch nach kleinen Anstrengungen überwältigend ist und über mehrere Tage bis Wochen anhalten kann
Brain Fog: Es fühlt sich an, als wäre mein Kopf in Watte gepackt. Gedanken sortieren, Worte finden – alles wird zur Herausforderung.
Post-Exertional Malaise (PEM): Schon nach Belastungen bekam ich Muskelschwäche, konnte kaum schlucken oder mich bewegen.
Schmerzen: Sie reichten von stechenden Schmerzen im ganzen Körper über Muskel- und Gelenkschmerzen bis hin zu einem brennenden Gefühl auf der Haut.
Weitere Symptome: Sprachstörungen, Erstickungsanfälle,Koordinationsprobleme, Zuckungen, Übelkeit, Tinnitus, und sogar Sehverlust.
Besonders herausfordernd waren plötzliche Anfälle, bei denen ich mich nicht bewegen oder sprechen konnte. Diese Zustände hielten stundenlang an und in dieser Zeit fühlte ich mich wie lebendig begraben.
Die Diagnosen
Nach zahllosen Arztbesuchen und Krankenhausaufenthalten habe ich mittlerweile eine Reihe von Diagnosen die mein Krankheitsbild einigermaßen erklären:
Post-COVID-Syndrom
Morbus Addison (Nebenniereninsuffizienz)
Posturales Tachykardiesyndrom (POTS)
Mastzellenaktivierungssyndrom (MCAS) mit schwerer Histaminintoleranz
Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS)
Gefäßkompressionen, die die Blutzirkulation beeinträchtigen
Neurologische Störungen, darunter eine verminderte Leitfähigkeit des Vagusnervs
Bildung von div. Autoantikörpern
Lungenschäden
Der Alltag mit der Erkrankung
Mein Alltag spielte sich für lange Zeit in einem stillen, abgedunkelten Zimmer ab. Ich war nur eine begrenzte Zeit in der Lage mit anderen zu sprechen. Musik hören oder fernsehen war für mich in dieser Zeit nicht möglich. Das mag sich nun sehr überzogen anhören, aber jedes zu laute Geräusch oder jede zu helle Lichtquelle beförderten meinen Körper in einen Zustand aus unkontrollierten Zuckungen und Schmerzen. Nach fast einem Jahr in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen und unzähligen Therapien, kann ich nach beinahe 4 Jahren der Krankheit sagen, dass ich meinen Weg zurück in ein „normales“ Leben finde.
Dieser Weg war von vielen kleinen Fortschritten und unzähligen großen Rückschlägen geprägt, aber der Glaube, dass ich eines Tages wieder gesund sein werde, hat mich niemals verlassen.
Was mir half/hilft
Da diese Art der Erkrankung sehr vielseitig ist, möchte ich mir nicht anmaßen, dass mein Weg, der einzig richtige ist. Ich habe neben unzähligen medizinischen Behandlung viele alternative Ansätze, sowie Ernährungsumstellungen verfolgt. Und traue mich fast zu sagen, dass es in Österreich kaum eine Therapie gibt, welche ich nicht probiert habe. Ausschlaggebend für meine Verbesserung waren aber schlussendlich
Ein hervorragendes Team aus Ärzten aller Fachrichtungen;
Mastzellenstabilisierende Ernährung;
Virostatika;
6 Monate Ketamin Therapie.
Da diese Erkrankung gerne auf die psychologische Schiene geschoben wird, scheuen sich viele, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aus meiner Erfahrung kann man bei einer Erkrankung jedoch nur so stark sein, wie es die eigene Psyche zulässt. Es ist daher kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, sich in dieser Zeit unterstützen zu lassen.
Die Reise ist wirklich hart, aber ich gebe nicht auf. Wenn ihr ähnliche Symptome habt oder euch unsicher seid, sucht medizinische Hilfe und lasst euch nicht abwimmeln. Post-COVID und die damit verbundenen Erkrankungen sind real und brauchen eine umfangreiche Behandlung.
Bleibt gesund und passt auf euch auf!
Alles Liebe
Tina